Daniel Defoes Robinson Crusoe - ein Welterfolg, ein in alle Kultursprachen übersetzter Bestseller, ein selbst in Stenographie, Blindenschrift und Esperanto verfügbarer Longseller, eine Geschichte mit einer Sintflut von Nachahmern, Nachdrucken, Raubdrucken, Neuauflagen, Bearbeitungen, ein Meer von Bilderbüchern, Comicstrips, Verfilmungen, Hörstücken, Schauspielen, Opern, in seiner ganzen Fülle nicht mehr zu überblicken.

Und wie alle Bücher, die jeder zu kennen glaubt, wahrscheinlich in seiner vollständigen Originalfassung von den wenigsten gelesen.

Wer weiß schon, dass Robinson sich vor seinem Schiffbruch als Plantagenbesitzer in Brasilien versuchte, wer erinnert sich, dass er als afrikanischer Sklavenhändler zu Reichtum kommen wollte, wer außer den Comicfans kennt seinen ersten Gefährten Xury?

Schon der erste Teil des Robinson wurde als Kinder- und Jugendbuch bis zur Unkenntlichkeit zurechtgestutzt, bis auf 24 Seiten hinunter, wurde der jeweiligen Moral angepasst, mit pädagogischen Zeigefingern versehen, den Geschäftsinteressen und Formaten von Buchreihen untergeordnet.

Der zweite Teil des Romans wurde kaum noch zur Kenntnis genommen, überlebte höchstens als Episode, als Randexistenz in einigen umfangreicheren Bearbeitungen.

Der dritte Teil ist nur einigen Experten als Titel geläufig, denn als Buch erschien er nur in einer einzigen deutschen Ausgabe im Jahre 1721.

Fülle und Rarität also, unbezahlbare Kostbarkeit und Flohmarktware, sie kennzeichnen die Robinsonaden zugleich - mithin alles, was das Sammlerherz höher schlagen lässt: Bibliophiles, Abseitiges, Pornographisches, Humorvollen, Kitsch und Kunst, Massenprodukt für diverse Bücherclubs, zerlesene Leihbibliotheksschinken und die von Pädagogen lange Zeit als Schund disqualifizierten Bereiche der Heftchenserien, der Comics, der Kolportageromane.

Die Robinsonaden, die hier präsentiert werden, halten den strengen literaturwissenschaftlichen Definitionsversuchen natürlich nicht stand, sie bezweifeln in ihrer Auswahl eher ihre Gültigkeit an. Sie zeigen neben der unfreiwilligen Inselrobinsonade auch das freiwillige Exil und zwar nicht nur auf einem unbekannten Eiland, sondern auch in Urwäldern, Wüsten, Großstädten, auf Eisschollen, fremden Planeten, führerlosen Schiffen und Eisenbahnen. Sie führen neben dem umfangreichen romanfüllenden Robinsonleben auch das episodenhafte Robinsonschicksal an. Die Anzahl der Robinsone bildeten ebenso kein Kriterium wie ihr Geschlecht. Wobei es sich bei der weiblichen Robinsonfigur, besonders im 18. und 19. Jahrhundert zumeist um eine exotische Ausnahme handelt, stießen doch abenteuerliche Handlung, Gewaltszenen, der Selbstbehauptungswillen und die Selbstständigkeit der Heldin gerade in der Kinder- und Jugendliteratur schnell an die Grenzen des Rollenverständnisses ihrer Zeit. Neben Robinson fand auch Freitag seine Würdigung. Und da auch nichtmenschliche Robinsone es zu literarischen Ehren brachten, wurden sie ebenfalls in die Bibliographie aufgenommen.

Ob Pseudorobinsonade, ob apokryphe Robinsonade, ob Robinson als Markenname für die Verkaufsstrategie Verwendung fand, ob echter Robinson, ob geträumter Robinson - sie alle verweisen auf den Erfolg einer Figur, die es immerhin verstand auch nach 290 Jahren noch NachfolgerInnen zu zeugen, eine internationale Leserschaft zu begeistern und immer wieder neue Autoren zu faszinieren, vor allem solche, die mit einer Robinsonade als Erstlingswerk ihre schriftstellerische Karriere starteten.

Um den Benutzern, die Einordnung zu erleichtern, sind den Büchern ein paar Hinweise auf den Inhalt beigefügt, zumeist Klappentexten und Nachschlagewerken entnommen, und mit biographischen Daten über die Verfasser, Bearbeiter und Illustratoren ergänzt. Trotz des Bemühens um Sorgfalt und Genauigkeit werden sich Fehler und Fehlendes ergeben. Ich freue mich über jeden Hinweis und jede Ergänzung.

Dr. Walter Wehner